XX. Karlsbader Juristentage
Obwohl es sich erst um unsere XX. Konferenz handelt, haben wir uns bei der Programmzusammensetzung dieses Jahr bemüht, alles so umfassend und sorgfältig vorzubereiten, weil es ja um ein wirklich bedeutsames Jubiläum geht. Wir haben zur Vorbereitung dieser Konferenz darüber nachgedacht, dass die Rechtsentwicklung sich immer mehr zu detaillierteren und spezielleren Regelungen hin entwickelt. Fast scheint es so, als ob der Raum für ein selbstständiges juristisches Denken sich auf der Suche nach Problemlösungen nicht mehr in erster Linie nach grundlegenden Rechtsprinzipien richtet, obwohl dies nach unserer Einschätzung nicht unbedingt in der Absicht des Gesetzgebers liegt. Daraus resultiert dann als praktisch logisches Risiko eine häufig lediglich formale (oft auch sogar geistlose) Auslegung eines Gesetzes, die dem Sinn und Zweck des Gesetzes widerspricht.
» XX. Konferenz Karlsbader Juristentage wird am 7.-9. Juni 2012 im Hotel Thermal, Karlsbad stattfinden.
Darum reflektieren wir im Programm auch Fragen, wie diesem Risiko zu begegnen ist und welche Gegenargumente gewählt werden können. Man muss deshalb mit Dank quittieren, dass der tschechische OGH und vor allem das tschechische Verfassungsgericht damit begonnen haben, bei der Bewältigung von zweifelhaften Rechtsfragen immer mehr nach Lösungen zu suchen, welche auf einen Einklang in der Auslegung des Rechts hinzielen und nach dem Zweck und Sinn der jeweiligen Rechtsregel für jeden konkreten Fall unter Beachtung der individuellen Spezifika suchen. Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass in einigen Ländern mehr, in anderen weniger, die Auslegung bei der Anwendung des nationalen Rechts stehen bleibt, obwohl in vielen Fällen diese Rechtsanwendung darauf hinausläuft, die Ergebnisse der Rechtsprechung des EuGH zu vernachlässigen. Diese sind ja dadurch gekennzeichnet, dass die nationalen Gerichte dafür sorgen müssen, dass ein „nützlicher Effekt“ – diese Rechtsfigur wird als „effet utile“ bezeichnet – eintritt. Darin ist ein sehr wichtiges allgemeines Rechtsprinzip zu sehen.
Die von uns ausgewählten Referate beschäftigen sich mit diesen Fragen. Sie sind ja hoch aktuell. Die Referenten verspüren das Bedürfnis, sich zu dieser Problematik zu äußern. Sie wollen eine Diskussion im Fachpublikum auslösen oder hierzu beitragen. Wir können also sehr interessante Vorträge erwarten. Zugleich sind alle Referenten gebeten worden, sich im Rahmen ihrer Vorträge auch mit dem Gesichtspunkt der Auslegung des Rechts – bezogen auf dessen Sinn und Zweck - zu befassen. Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, Argumentationen zu entwickeln, die den Rechtsschutz verbessern, und zwar auch und gerade mit Hilfe der reichen Rechtsprechung des EuGH.
Kurz: Man kann daher sagen, dass das Program der XX. Konferenz im Zeichen des Prinzips „effet utile“ stehen wird, und zwar in ganz unterschiedlichen Konstellationen, in verschiedenen Ländern und Rechtsgebieten, um so zu zeigen, wie sehr gerade die Rechtsprechung des EuGH dazu beiträgt, eine Rechtsvereinheitlichung zu erreichen.
Als ein selbstständiger (nicht übersetzter) Programmblock (am 9.6.2012) sind Vorträge zum tieferen Verständnis der Veränderungen vorgesehen, die das so lebhaft diskutierte neue Bürgerliche Gesetzbuch mit sich bringt. Diesmal zielt jedoch die Diskussion nicht mehr darauf ab, wie denn Notwendigkeit oder Niveau eines Gesetzgebungsvorschlags einzuordnen sind. Vielmehr wird sich dieser Kongress ausschließlich mit dem bereits vorliegenden Kodex und seinen Auslegungs- und Verständnisproblemen befassen. Das neue Bürgerliche Gesetzbuch verlangt nach einer tiefen Veränderung in unserem rechtlichen Denken und Bewusstsein. Daher ist es so wichtig, mit denen zu diskutieren, die an seiner Redaktion partizipierten oder gegen das Vorhaben sogar opponierten.
Ich glaube, auch dieses Jahr wird es uns gelingen, die Erwartungen der Teilnehmer im Hinblick auf Aktualität und Brisanz der einzelnen Vorträge zu erfüllen. Die immer vorgesehene Zeit für eine Diskussion über die Thesen der Referenten gibt reichlich Gelegenheit zur Äußerung der eigenen Ansichten. Dies geschieht im Rahmen einer Konferenz, die sich seit Anfang dem Dialog vieler Juristen aus verschiedenen Ländern, aus unterschiedlichen Rechtsgebieten, aus Rechtstheorie, Justiz und auch aus der Rechtspraxis gewidmet hat.
JUDr.Vladimír Zoufalý
Vizepräsident